Von Stradivaris, Formel-1-Autos und einem prägenden Ereignis.
7. September 2023
Interview mit Geiger Kirill Troussov zum 1. Sinfoniekonzert "¡Fiesta Spagnola!"
Nächste Woche feiert die Neue Philharmonie Westfalen den Auftakt ihrer Sinfoniekonzerte mit einer "¡Fiesta Spagnola!"! Solist für Édouard Lalo's Symphonie espagnole für Violine und Orchester d-moll op. 21 ist der mehrfach ausgezeichnete Geiger Kirill Troussov.
Im Interview mit uns verrät er, wie er zur Violine fand. Außerdem gehen wir auf sein aktuelles besonders Instrument ein und wie es sein Spiel und unser 1. Sinfoniekonzert bereichert.
NPW: Schon mit 4 Jahren haben Sie zu Ihrem Instrument, der Geige gefunden. Wie entstand die Faszination so früh?
Troussov: „Ich bin in einem Musiker-Haus groß geworden. Meine Mutter ist Klavier-Professorin und Rektorin gewesen. Meine etwas ältere Schwester spielte bereits Klavier, meine Mutter war ihre erste Lehrerin und unterrichtete auch sehr viel Zuhause. Dadurch war ich permanent von Musik umgeben. Und das Großereignis war eigentlich, dass ich im Fernsehen Viktor Tretjakow – das war oder ist einer der großen Geiger unserer Zeit – gesehen habe und meine Mutter hat, während ich diesen kleinen Ausschnitt geschaut habe, die Begeisterung in meinen Augen gesehen. Dann ist die Entscheidung gleich wohl sehr schnell gefallen: Meine Mutter hat am nächsten Tag die Geige mitgebracht und so bin ich eigentlich zur Geige gekommen.
Also wie gesagt, zwei Faktoren: einerseits war in der Familie schon viel Musik vorhanden durch meine Mutter und meine Schwester und dann dieses Ereignis im Fernsehen. So bin ich dazu gekommen."
NPW: Sie spielen aktuell auf der „Brodsky“-Stradivari, einem besonderen Instrument. Bereits zuvor war eine Stradivari Ihr Instrument. Was macht den Klang einer bzw. „Ihrer“ Stradivari aus?
Troussov: „Es sind alles Unikate in dieser Form. Was aber tatsächlich den Klang der Stradivari ausmacht sind die Feinheiten, die diese Instrumente ermöglichen – ich habe immer ein kleines Beispiel, was ich dafür nutze: Ich bin großer Formel 1-Anhänger, schau auch viel Formel 1 und bin ein guter Autofahrer. Aber auf der Rennpace wäre ich in der Formel 1 bei 25 Fahrern auf der 25 gelandet. Denn die Meisterleistung der Fahrer kommt dann in Verbindung mit ihren Boliden zusammen. Wenn Fahrer und Maschine zusammen perfekt funktionieren, kann man die Höchstleistungen rauszuholen und dann den Unterschied machen zwischen einer guten und einer herausragenden Leistung.
Und so ist das bei diesen Instrumenten: Wenn man das Handwerk beherrscht, dann bringen diese kleinen Feinheiten ein riesengroßes Endergebnis, aber man muss für diese Geigen, genau wie bei Formel 1-Autos, die nötige Technik haben, um eben dann auf dem Niveau an diese Sachen überhaupt ranzukommen.
Die Stradivaris sind sehr schwierig zu spielen, weil sie viel Bogengeschwindigkeit brauchen, sie viele andere Facetten haben. Das sind keine leicht zu spielenden Geigen. Aber sie tragen unheimlich und sie haben eine unfassbare Farbe. Aber diese muss man auch erstmal suchen und finden. Wenn man sie gefunden hat, ist das ein einmaliges Klangerlebnis."
NPW: Wie unterstützen die Besonderheiten der Stradivari Sie in Ihrem Spiel, das als technisch besonders raffiniert und elegant beschrieben wird?
Troussov: „Mir gibt die Geige unendliche Möglichkeiten an Farb-Facetten und Gestaltungsmöglichkeit. Die Grenzen dieser Geige sind so unerreichbar. Ich kann jeden Tag, egal ob ich darstelle oder unterrichte, einen neuen Klang finden. Wenn man diese Technik hat, dann kann man sich in diesem Bereich noch unendlich steigern bis ins Grenzenlose. Das ist das, was diese Instrumente einfach unfassbar auszeichnet.
Und diese Geige ist ganz besonders, da sie dazu noch eine besondere Geschichte hat. Auf ihr ist das Tschaikowsky-Violinkonzert uraufgeführt worden in Wien damals. Viele von den Stradivaris haben Geschichten und tragen daher auch alle Namen. Die Geige auf der ich spiele ist „The Brodsky“, denn Adolf Brodsky hat das Violinkonzert damals uraufgeführt auf dieser Geige. Auch die anderen Stradivari-Geigen tragen eine ganz besondere Geschichte. Und ich bin nur ein kleiner Teil der Geschichte dieser Brodsky-Stradivari. Vor mir haben unglaubliche Geiger dieses Instrument gespielt und nach mir werden auch Geiger diese Geige spielen. Das heißt, ich bin nur ein kleiner Beitrag der Geschichte dieses Instruments und das muss man sich immer wieder vor Augen führen.“
NPW: Als Solist unseres 1. Sinfoniekonzerts kann man Sie im Einklang mit Ihrem Instrument erleben, wenn Sie Lalos „Symphonie espagnole“ gemeinsam mit unserem Orchester zum Besten geben. Wie kommt diese Verbindung zwischen meisterlichem Instrument und Meister des Instruments im Stück am besten zum Vorschein?
Troussov: „Ich glaube, in diesem Stück kommt es auf alles an: Also einmal auf die Geige, einmal auf mich als Spieler und natürlich auch auf dieses besondere Werk von Édouard Lalo, was ein unheimlich stilvolles Werk ist. Dieser spanische Rhythmus, die ganzen musikalischen Traditionen aus Spanien, was auch viel zu tun hat mit Tanz und Gesang, und diese besonderen rhythmischen Phrasen von Duolen und Triolen kommen alle unheimlich gut zur Geltung.
Jeder dieser Sätze erzählt eine Geschichte, eine spanische Geschichte über entweder ein Folklore-Thema oder einen Tanz oder auch ein Lied. Und jeder dieser Sätze dieser Symphonie ist einzigartig. Mit meinen Ideen, mit den Möglichkeiten, die die Stradivari bietet, und diesem genialen Werk sind da auch keine Grenzen gesetzt. Dieses Stück kann man jedes Mal, wenn man es spielt oder hört, aufs Neue entdecken."
Es gibt also viel zu entdecken in unserem 1. Sinfoniekonzert. Alle Termine und Ticketverkäufe finden Sie hier auf unserer Website.